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Detachment/Détachement?! Poetiken des Erzählens in der Gegenwartsliteratur

Sofie Behluli (Universität Bern) / Stephanie Wodianka (Universität Rostock)

Es gab und gibt zu jeder Zeit intrinsische Gründe und extrinsische Zwänge, sich gegenüber den Herausforderungen der Gegenwart zu positionieren: Sie reicht an uns alle heran und es scheint unmöglich, sich tatsächlich der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Zeitgenossenschaft gänzlich zu entziehen. Mit einem Fuß bleiben wir immer auf der Welt, und sei es, um uns von ihr abzustoßen. Die Gegenwartsliteratur reibt sich daran: Sie ist somit nicht nur Medium für Appelle zu Kritik und Aktion, sondern bietet zugleich einen Ermöglichungsraum für das Erproben von Formen der Enthaltung, des Rückzugs, des distanzierten Blicks auf die Welt. (Wie) Wird dieses literarische Potenzial in der Gegenwart genutzt? Und welche Poetiken und ästhetischen Strategien sind auszumachen, die Literatur (scheinbar) ins Abseits zu den Weltläuften stellen?

Mit dem Begriff „detachment“/„détachement“ zielt das Tagungsinteresse aber nicht auf jedwede Form des literarischen Eskapismus, sondern auf eine Form der akzentuierten Gleichgültigkeit, ein affektiv besetztes Enthalten, das Aktivität und Passivität in ein besonderes Verhältnis setzt: Es meint ein förmliches, nicht informelles, nachdrückliches Unbeteiligtsein. Im Zentrum stehen damit literarische Grenzverläufe zwischen Passivität und verantwortlicher Positionierung, liminale Bereiche zwischen zwei auf den ersten Blick unvereinbaren kulturellen Paradigmen. Das Spannungsfeld dieser Paradigmen lässt ein affektives Zögern entstehen, das auch als „passionierte Passionslosigkeit“ zu bezeichnen ist. In diesem Sinne ist der Begriff des französischen détachement und des englischen detachment als eine involvierte Abkopplung und eine affektvolle Affektlosigkeit zu verstehen, deren mögliches Verhältnis zu gesellschaftlichen oder individuellen Herausforderungslagen zu bestimmen ist.. 

Der u.U. sogar zum Paradoxon tendierende Widerspruch zwischen Gleichgültigkeit (als Haltung der Nicht-Positionierung) und Affizierung bzw. Entschlossenheit (als Akzent auf der Nicht-Positionierung) ist stets erklärungsbedürftig, so die zu Grunde gelegte These: Er wird zum Impuls des Erzählens. Literarische Charaktere, Strukturen, Momente und Symbole des détachement fungieren als Aristotelische „unbewegte Beweger“ (unmoved mover), die nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer affektiven und positionierten Ambivalenz die Erzählung vorantreiben. Figuren, Erzählweisen sowie Konzepte von Autorschaft und Leserschaft tragen Potenzial zur akzentuierten Stellungnahme am Seitenrand. Öffnet détachement als Idee oder Ideal, als Konstruktion oder Strategie, als Phantasma oder Phänomen neue Optionen des Dritten? Bietet es - jenseits der Bias von Aktivität und Passivität und im Spannungsfeld von Affektstärke und Affektlosigkeit - Lösungen in (Erzähl)Situationen scheinbarer Ausweglosigkeit?

Die Vortragenden aus der Schweiz, England, Frankreich, USA und Rostock gehen anhand ausgewählter Beispiele der Gegenwartsliteratur diesen Fragen nach - und freuen sich auf die Diskussion!

Tagungssprachen sind Englisch und Französisch.

Alle Interessierten sind willkommen, vor Ort im Institut für Romanistik der Universität Rostock (Philologikum, Erdgeschoss, Salle Kalliope) oder im zoom-Raum (s. QR-Code auf Plakat und Flyer) teilzunehmen!


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Speaker:
Prof. Dr. Dr. h.c. Michael North
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Coordinator
Dr. Alexander Drost
Bahnhofstr. 51
D-17487 Greifswald
Tel.: +49 (0)3834 420-3341/-3309
Fax: +49 (0)3834 420-3333
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Detachment/Détachement?! Poetiken des Erzählens in der Gegenwartsliteratur

Sofie Behluli (Universität Bern) / Stephanie Wodianka (Universität Rostock)

Es gab und gibt zu jeder Zeit intrinsische Gründe und extrinsische Zwänge, sich gegenüber den Herausforderungen der Gegenwart zu positionieren: Sie reicht an uns alle heran und es scheint unmöglich, sich tatsächlich der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Zeitgenossenschaft gänzlich zu entziehen. Mit einem Fuß bleiben wir immer auf der Welt, und sei es, um uns von ihr abzustoßen. Die Gegenwartsliteratur reibt sich daran: Sie ist somit nicht nur Medium für Appelle zu Kritik und Aktion, sondern bietet zugleich einen Ermöglichungsraum für das Erproben von Formen der Enthaltung, des Rückzugs, des distanzierten Blicks auf die Welt. (Wie) Wird dieses literarische Potenzial in der Gegenwart genutzt? Und welche Poetiken und ästhetischen Strategien sind auszumachen, die Literatur (scheinbar) ins Abseits zu den Weltläuften stellen?

Mit dem Begriff „detachment“/„détachement“ zielt das Tagungsinteresse aber nicht auf jedwede Form des literarischen Eskapismus, sondern auf eine Form der akzentuierten Gleichgültigkeit, ein affektiv besetztes Enthalten, das Aktivität und Passivität in ein besonderes Verhältnis setzt: Es meint ein förmliches, nicht informelles, nachdrückliches Unbeteiligtsein. Im Zentrum stehen damit literarische Grenzverläufe zwischen Passivität und verantwortlicher Positionierung, liminale Bereiche zwischen zwei auf den ersten Blick unvereinbaren kulturellen Paradigmen. Das Spannungsfeld dieser Paradigmen lässt ein affektives Zögern entstehen, das auch als „passionierte Passionslosigkeit“ zu bezeichnen ist. In diesem Sinne ist der Begriff des französischen détachement und des englischen detachment als eine involvierte Abkopplung und eine affektvolle Affektlosigkeit zu verstehen, deren mögliches Verhältnis zu gesellschaftlichen oder individuellen Herausforderungslagen zu bestimmen ist.. 

Der u.U. sogar zum Paradoxon tendierende Widerspruch zwischen Gleichgültigkeit (als Haltung der Nicht-Positionierung) und Affizierung bzw. Entschlossenheit (als Akzent auf der Nicht-Positionierung) ist stets erklärungsbedürftig, so die zu Grunde gelegte These: Er wird zum Impuls des Erzählens. Literarische Charaktere, Strukturen, Momente und Symbole des détachement fungieren als Aristotelische „unbewegte Beweger“ (unmoved mover), die nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer affektiven und positionierten Ambivalenz die Erzählung vorantreiben. Figuren, Erzählweisen sowie Konzepte von Autorschaft und Leserschaft tragen Potenzial zur akzentuierten Stellungnahme am Seitenrand. Öffnet détachement als Idee oder Ideal, als Konstruktion oder Strategie, als Phantasma oder Phänomen neue Optionen des Dritten? Bietet es - jenseits der Bias von Aktivität und Passivität und im Spannungsfeld von Affektstärke und Affektlosigkeit - Lösungen in (Erzähl)Situationen scheinbarer Ausweglosigkeit?

Die Vortragenden aus der Schweiz, England, Frankreich, USA und Rostock gehen anhand ausgewählter Beispiele der Gegenwartsliteratur diesen Fragen nach - und freuen sich auf die Diskussion!

Tagungssprachen sind Englisch und Französisch.

Alle Interessierten sind willkommen, vor Ort im Institut für Romanistik der Universität Rostock (Philologikum, Erdgeschoss, Salle Kalliope) oder im zoom-Raum (s. QR-Code auf Plakat und Flyer) teilzunehmen!


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