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Pilgerzeichen - Zeugen mittelalterlicher Mobilität - Ein Vortrag der Ringvorlesung "Mobilität" im SoSe25

Der zutiefst gläubige Mensch des Mittelalters strebte Zeit seines Lebens nach Erlangung des Seelenheils. Als sich im 13. Jahrhundert die Idee des Fegefeuers etabliert hatte, rückte der Ablass als Nachlass von Sündenstrafen in das Zentrum der Bemühungen um jenseitiges Heil.

Dazu dienten neben vielen anderen frommen Werken Wallfahrten zu mehr oder weniger weit entfernten heiligen Stätten. Oft wurden Wallfahrten in Testamenten als letzter Wille bestimmt, auszuführen von Freunden und Bekannten, mitunter aber auch von Berufspilgern, um stellvertretend für das Seelenheil des Verstorbenen zu beten. Wallfahrten wurden aber auch zur Buße von weltlichen und kirchlichen Strafen auferlegt oder zwischen den Tätern und den durch einen Todschlag geschädigten Angehörigen als Sühne verabredet.

Zeugnis von Wallfahrten waren neben schriftlichen Belegen Pilgerzeichen, zumeist Flach- oder Gittergüsse aus Blei/Zinn-Legierungen, die seit dem 12. Jahrhundert als preiswertes Andenken am Wallfahrtsort verkauft wurden. Oft zeigen Sie ein Bild der oder des dort verehrten Heiligen und deren Attribute, der Reliquien oder der Wunderlegende. 

Zu Hunderttausenden erworben, waren Pilgerzeichen mit ihren Bild- und Textinformationen eines der ältesten Massenmedien, die ihre Botschaft im christlichen Europa verbreiteten.

Am Wallfahrtsort dienten sie häufig als Kontaktreliquie, um mit dem verehrten Gegenstand in Berührung zu treten. Bis zur Reformation, dem Ende der mittelalterlichen Wallfahrtstradition, trugen die Pilger die Zeichen am Hut oder an der Pilgertasche als Ausweis ihres frommen Strebens und Beleg ihrer Reise. Zurück in der Heimat waren sie Beweis für die erfolgreiche Pilgerreise und dürften als persönliche Devotionalien gehütet worden sein. 

Die am weitesten entfernten und zugleich bedeutendsten Wallfahrtsziele der Christenheit waren seit dem 11. Jahrhundert Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela in Galizien (NW-Spanien). Die kostenintensiven Reisen auf den unsicheren Landstraßen dauerten nicht nur Wochen und Monate, das eigene Leben war durch Krankheiten, Wegelagerer und Räuber in ständiger Gefahr. Nicht minder gefährlich war eine Schiffsreise. Außerhalb des Hanseraumes war die Sprache für die Niederdeutschen nicht oder nur schwer zu verstehen, er wurde zum homo peregrinus, zum Fremden in dieser Welt. All diesen Widrigkeiten zum Trotz waren jährlich hunderttausende Pilger unterwegs, insbesondere zu den im Sieben-Jahresrhythmus im Rheinland erfolgenden öffentlichen Heiltumsweisungen. 

Bereits im 14. Jahrhundert entstanden neben den bedeutenden Pilgerstätten im Rheinland auch in Mecklenburg und Pommern Wallfahrtsstätten mit überregionaler Ausstrahlung, an denen Pilgerzeichen ausgegeben wurden. Ist die auf eine angebliche Hostienschändung Sternberger Juden im Jahre 1492 zurückgehende und durch den aufstrebenden Buchdruck propagierte Wallfahrt zum heiligen Blute fest in der Landesgeschichte verankert, war ein ähnliches, 1332 in Güstrow erfolgtes Ereignis bis vor wenigen Jahren weitgehen vergessen, bis es vor kurzem im Wesentlichen durch archäologische Funde von Pilgerzeichen wieder in Erinnerung gebracht wurde. 

Die meisten bei archäologischen Untersuchungen in Mecklenburg-Vorpommern geborgenen Funde stammen aus organisch reichen Schichten oder Feuchtbodensedimenten, in denen außerordentlich günstige Überlieferungsbedingungen herrschen. Besonders zahlreich sind Pilgerzeichen in den Hansestädten Rostock, Wismar, Greifswald und Stralsund gefunden worden. Neben diesen Bodenfunden sind Pilgerzeichen auch als Abgüsse auf Kirchenglocken und Bronzetaufen überliefert.

Sie geben Auskunft über längst vergangene Wallfahrtsorte und sind mitunter die einzigen materiellen Zeugnisse deren Geschichte, tragen somit zur Erforschung der Landesgeschichte bei und testieren dem mittelalterlichen Menschen, auch aus den unteren Schichten, eine bemerkenswerte Mobilität.

Zeit: Donnerstag, der 12.06.25, 18:00 Uhr

Ort: Kulturhistorisches Museum Rostock (Der Eintritt ist frei!) 

Zoom: https://uni-rostock-de.zoom-x.de/j/63076449055?pwd=SW47ktE9DX4Vq9aAOaZEM49RtMsKWu.1

Referent: Dr. Jörg Ansorge (Landesamt für Kultur und Denkmalpflege) 

Das restliche Programm der Ringvorlesung finden Sie auf der Seite des Zentrums Mecklenburg:

https://www.zm.uni-rostock.de/forschung-lehre/mobilitaet-migration-und-kulturelle-zirkulation/ringvorlesung-sose-2025-migration-und-mobilitaet-in-mecklenburg-vorpommern/


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Contact

Speaker:
Prof. Dr. Dr. h.c. Michael North
E-Mail

Coordinator
Dr. Alexander Drost
Bahnhofstr. 51
D-17487 Greifswald
Tel.: +49 (0)3834 420-3341/-3309
Fax: +49 (0)3834 420-3333
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Pilgerzeichen - Zeugen mittelalterlicher Mobilität - Ein Vortrag der Ringvorlesung "Mobilität" im SoSe25

Der zutiefst gläubige Mensch des Mittelalters strebte Zeit seines Lebens nach Erlangung des Seelenheils. Als sich im 13. Jahrhundert die Idee des Fegefeuers etabliert hatte, rückte der Ablass als Nachlass von Sündenstrafen in das Zentrum der Bemühungen um jenseitiges Heil.

Dazu dienten neben vielen anderen frommen Werken Wallfahrten zu mehr oder weniger weit entfernten heiligen Stätten. Oft wurden Wallfahrten in Testamenten als letzter Wille bestimmt, auszuführen von Freunden und Bekannten, mitunter aber auch von Berufspilgern, um stellvertretend für das Seelenheil des Verstorbenen zu beten. Wallfahrten wurden aber auch zur Buße von weltlichen und kirchlichen Strafen auferlegt oder zwischen den Tätern und den durch einen Todschlag geschädigten Angehörigen als Sühne verabredet.

Zeugnis von Wallfahrten waren neben schriftlichen Belegen Pilgerzeichen, zumeist Flach- oder Gittergüsse aus Blei/Zinn-Legierungen, die seit dem 12. Jahrhundert als preiswertes Andenken am Wallfahrtsort verkauft wurden. Oft zeigen Sie ein Bild der oder des dort verehrten Heiligen und deren Attribute, der Reliquien oder der Wunderlegende. 

Zu Hunderttausenden erworben, waren Pilgerzeichen mit ihren Bild- und Textinformationen eines der ältesten Massenmedien, die ihre Botschaft im christlichen Europa verbreiteten.

Am Wallfahrtsort dienten sie häufig als Kontaktreliquie, um mit dem verehrten Gegenstand in Berührung zu treten. Bis zur Reformation, dem Ende der mittelalterlichen Wallfahrtstradition, trugen die Pilger die Zeichen am Hut oder an der Pilgertasche als Ausweis ihres frommen Strebens und Beleg ihrer Reise. Zurück in der Heimat waren sie Beweis für die erfolgreiche Pilgerreise und dürften als persönliche Devotionalien gehütet worden sein. 

Die am weitesten entfernten und zugleich bedeutendsten Wallfahrtsziele der Christenheit waren seit dem 11. Jahrhundert Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela in Galizien (NW-Spanien). Die kostenintensiven Reisen auf den unsicheren Landstraßen dauerten nicht nur Wochen und Monate, das eigene Leben war durch Krankheiten, Wegelagerer und Räuber in ständiger Gefahr. Nicht minder gefährlich war eine Schiffsreise. Außerhalb des Hanseraumes war die Sprache für die Niederdeutschen nicht oder nur schwer zu verstehen, er wurde zum homo peregrinus, zum Fremden in dieser Welt. All diesen Widrigkeiten zum Trotz waren jährlich hunderttausende Pilger unterwegs, insbesondere zu den im Sieben-Jahresrhythmus im Rheinland erfolgenden öffentlichen Heiltumsweisungen. 

Bereits im 14. Jahrhundert entstanden neben den bedeutenden Pilgerstätten im Rheinland auch in Mecklenburg und Pommern Wallfahrtsstätten mit überregionaler Ausstrahlung, an denen Pilgerzeichen ausgegeben wurden. Ist die auf eine angebliche Hostienschändung Sternberger Juden im Jahre 1492 zurückgehende und durch den aufstrebenden Buchdruck propagierte Wallfahrt zum heiligen Blute fest in der Landesgeschichte verankert, war ein ähnliches, 1332 in Güstrow erfolgtes Ereignis bis vor wenigen Jahren weitgehen vergessen, bis es vor kurzem im Wesentlichen durch archäologische Funde von Pilgerzeichen wieder in Erinnerung gebracht wurde. 

Die meisten bei archäologischen Untersuchungen in Mecklenburg-Vorpommern geborgenen Funde stammen aus organisch reichen Schichten oder Feuchtbodensedimenten, in denen außerordentlich günstige Überlieferungsbedingungen herrschen. Besonders zahlreich sind Pilgerzeichen in den Hansestädten Rostock, Wismar, Greifswald und Stralsund gefunden worden. Neben diesen Bodenfunden sind Pilgerzeichen auch als Abgüsse auf Kirchenglocken und Bronzetaufen überliefert.

Sie geben Auskunft über längst vergangene Wallfahrtsorte und sind mitunter die einzigen materiellen Zeugnisse deren Geschichte, tragen somit zur Erforschung der Landesgeschichte bei und testieren dem mittelalterlichen Menschen, auch aus den unteren Schichten, eine bemerkenswerte Mobilität.

Zeit: Donnerstag, der 12.06.25, 18:00 Uhr

Ort: Kulturhistorisches Museum Rostock (Der Eintritt ist frei!) 

Zoom: https://uni-rostock-de.zoom-x.de/j/63076449055?pwd=SW47ktE9DX4Vq9aAOaZEM49RtMsKWu.1

Referent: Dr. Jörg Ansorge (Landesamt für Kultur und Denkmalpflege) 

Das restliche Programm der Ringvorlesung finden Sie auf der Seite des Zentrums Mecklenburg:

https://www.zm.uni-rostock.de/forschung-lehre/mobilitaet-migration-und-kulturelle-zirkulation/ringvorlesung-sose-2025-migration-und-mobilitaet-in-mecklenburg-vorpommern/


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