Neue Nationalismen Mitteilungen

Workshopbericht – New Nationalisms in the Baltic Sea Regions. Master Narratives and Counter Narratives in New Nationalism.

New Nationalisms, photo: Alexander Drost
Photo: Alexander Drost
Photo: Alexander Drost
Photo: Alexander Drost

Bericht zum Stockholmer Workshop des Clusters „Neue Nationalismen“

Am 3. und 4. Februar 2020 organisierte das IFZO Cluster "Neue Nationalismen" zusammen mit der Universität Stockholm den internationalen und interdisziplinären Workshop "Neue Nationalismen in der Ostseeregion. Meistererzählungen und Gegenerzählungen in den Neuen Nationalismen" in Stockholm. Der Workshop fokussierte auf die transnationale und vergleichende Erforschung von politischen, kulturellen und sozialen Strategien gegenwärtiger Nationalismusbewegungen und Populisten in der Ostseeregion (Schweden, Deutschland, Lettland, Estland und Russland). Dabei standen insbesondere Mechanismen im Mittelpunkt, die wachsende Anziehungskraft und Einflussnahme dieser Bewegungen und Parteien in den Gesellschaften des Ostseeraums untersuchten.

Zu Beginn des Workshops stellte Cordelia Heß (Universität Greifswald), Sprecherin des Clusters, den Teilnehmern das IFZO und das Forschungsprogramm des Clusters "Neue Nationalismen" vor. Im Zentrum der Untersuchungen stehen politische Narrative und die sich in ihnen äußernden neuen nationalistischen Strategien und Ideologien. Diese Analyse wird von einer Untersuchung der Verbreitungswege wie Medien, Sprache, Gesetzgebung oder Geschichtskonstruktion begleitet. Anna Novikov (Universität Greifswald), Postdoktorandin im IFZO Cluster „Neue Nationalismen“, stellte die Arbeitspakete vor, die sich Geschichtskonstruktionen sowie den Themen Gender und GLBTQ widmen. Yvonne Bindrim (Universität Greifswald) stellte das sprachwissenschaftliche Arbeitspaket des Clusters vor, an das sich eine von Aryo Makko (Netzwerk für die Geschichte der Internationalen Beziehungen (IRH), Universität Stockholm) moderierte Diskussion anschloss.

Im zweiten Panel „Jugend, Erinnerungspolitik und öffentlicher Diskurs im Ostseeraum“ diskutierte Tomislav Dulić (Universität Uppsala) die theoretischen und historischen Perspektiven neuer Nationalismen, ausgehend von dem Begriff, der 1910 von Roosevelt eingeführt wurde. Dann bezog er sich auf die Hauptmerkmale der heutigen neuen Nationalismen und ihrer politischen Akteure, während er die historischen und politischen Wurzeln von drei Arten neuer Nationalismen analysierte: den liberalen, den konservativen und den faschistischen, ihre Strategien, ihre Rhetorik und ihre Überschneidungspunkte. Schließlich diskutierte Dulić was wirklich neu an den „Neuen Nationalismen“ und erörterte das Konzept.

Peteris Timofejevs (Universität Umea) ging in seiner Präsentation auf die transnationalen Elemente in populistischen, rechtsradikalen Jugendorganisationen im Ostseeraum ein. Er fokussierte dabei auf die Entstehung einer transnationalen jugendlichen Elite, auf die Methodik seiner Forschung und auf die Daten, die aus verschiedenen sozialen Medien gewonnen wurden. Er ging ebenso auf die Effekte dieser transnationalen Interaktion rechter Jugendorganisationen ein, die die Verbreitung von rechtsradikalem Gedankengut fördern, Demonstrationen und die Reputation stärken sollen.

Charlotta Seiler Brylla (Universität Stockholm) stellte Ihre Forschungen zum „Meinungskorridor“ im Kontext neuer Nationalismen und der extremen Rechten vor. In ihm wird das "Sagbare" im schwedischen öffentlichen Diskurs verhandelt. Dieser Neologismus - die Pufferzone, in der man noch seine Meinung äußern kann – bietet die Grundlage für Untersuchungen von Wortbedeutungen und Werturteilen, die mit dem Wort "Meinungskorridor" (Askitskorridor auf Schwedisch) und dem dahinterliegenden Diskurs verbunden sind. Dieser Analyse folgend, haben Schlagworte zu einer bestimmten Zeit eine spezifische Relevanz und werden deshalb verwendet, um eine Politik oder ein Ziel in der Öffentlichkeit zu propagieren. Verhandelt im Meinungskorridor, nimmt dieser einen starken Einfluss auf einen Diskurs.   

In einer weiteren Präsentation zur Gedächtnispolitik im rechtsextremen Europa referierten Andrej Kotljarchuk und Steffen Werther (Universität Södertörn) über die Gedächtnisfeiern der Nazi-Kollaborateure in Belarus, Rumänien, Flandern und Dänemark nach 1989. In ihrem Projekt untersuchen sie die Erinnerungspolitik der Rechtsextremen anhand von Denkmälern, Nationalfeiertagen, den kollektiven Erinnerungen von Kriegsveteranen und spezifischen Symboliken. Andrej Kotljarchuk konzentriert sich dabei auf die Transformationsgesellschaften im östlichen Ostseeraum, während Steffen Werther Dänemark, Schweden, Norwegen, Deutschland, die Niederlande und Flandern im Westen untersucht. Neben Denkmälern umfassen ihre Quellen Publikationen, Zeitschriften, Newsletter und Websites.

Ann-Judith Rabenschlag Karpe (Universität Stockholm) moderierte die anschließende Diskussion des Panels.

Das dritte Panel beschäftigte sich mit „Rechtsextremen und dem Immigranten-Diskurs in Ost- und Westdeutschland vor und nach 1989“. Ann-Judith Rabenschlag Karpe (Universität Stockholm) analysierte die Wahrnehmung von Immigranten in Ostdeutschland vor und nach 1989 mit Überlegungen zu möglichen historischen Kontinuitäten in der Gegenwart. Sie untersuchte unter anderem den Fall der ausländischen Arbeitskräfte aus den sogenannten Bruderstaaten in der ehemaligen DDR. Ihr Einsatz begründete ein neues System der Arbeitskräfte Gewinnung unter neuen ideologischen Rahmenbedingungen. Im offiziellen Diskurs wurden die Einwanderer als "unsere Freunde aus dem Ausland" dargestellt, die ihre "zweite Heimat" fanden. Das offizielle DDR-Narrativ kontextualisierte die Rahmenbedingungen mit den offiziellen Freundschaftsbekundungen der sozialistischen Staaten: "internationale Solidarität", "proletarischer Internationalismus" "Völkerfreundschaft" und „Gemeinsam gegen den Faschismus“. Ann-Judith Rabenschlag Karpe verglich dieses Narrativ mit dem Alltagsleben der DDR-Bevölkerung und ihren Beziehungen zu den ausländischen Arbeitern, um dann Kontinuitäten und Brüche im Umgang mit Fremden im neuen Nationalismus und der Wahrnehmung von Migration in Ostdeutschland aufzuzeigen.

Fabian Virchow (Hochschule Düsseldorf) sprach über die rechtsextremen Diskursgemeinschaften im heutigen Deutschland. Er erörterte die Strategien (politische Opposition innerhalb des Systems, Bildung von Narrativen und verschiedenen Diskursgemeinschaften) und Ideologien verschiedener rechtsextremer Parteien und Gemeinschaften. Er bezog sich unter anderem auf deren Umgang mit Geschichte und Zukunft sowie auf die Variationen ihrer Ideologien (völkisch, nationalsozialistisch, konservativ, national-revolutionär etc.).

Die Diskussion des Panels leitete Anna Novikov (Universität Greifswald).

Eine rege Diskussion der präsentierten Inhalte und die daraus abzuleitenden Fragestellungen für eine Weiterentwicklung des Forschungsthemas beschloss den ersten Workshoptag. Unter der Leitung von Cordelia Heß (Universität Greifswald) wurde insbesondere das Thema der Narrative und Narrationen auch als Forschungskonzepte und in Hinsicht auf Methodiken diskutiert. Außerdem beschäftigten sich Workshopteilnehmer*innen mit den Quellen und Daten zu neuen Nationalismen und fragten, wer eigentlich die neuen nationalistischen Akteure seien.

Am zweiten Workshop-Tag widmeten sich alle Teilnehmer einer breiteren und tieferen Diskussion der Struktur und des Inhalts des Clusters "Neue Nationalismen" und reflektierten kritisch die sechs entwickelten Arbeitspakete. Der Workshop wurde mit einer Diskussion über die Möglichkeiten der zukünftigen Zusammenarbeit und Vernetzung abgeschlossen.

 


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