Mittelalterliche Kunst im digitalen Raum

Prof. Dr. Isabelle Dolezalek, Caspar-David-Friedrich Institut - Kunstgeschichte

Wintersemester 2020/21

Digitale Ausstellung (Beispiel)
Virtueller Rundgang (Beispiel)

 

Seit fast einem Jahr sind Kunstmuseen und Sammlungen in Deutschland weitgehend geschlossen. Die Corona-Pandemie zwingt Institutionen und deren Publikum zum Sprung in die Welten digitaler Präsentation und Vermittlung. Es ist ein Moment, in dem digitale Ausstellungsangebote auch kritisch reflektiert werden sollten.

Das Seminar „Mittelalterliche Kunst ausstellen: sakral, museal, digital“ hat sich mit Ausstellungen mittelalterlicher Kunst vom 18. Jahrhundert bis heute befasst, Mittelalterbilder diskutiert und deren Spuren in analogen und digitalen Ausstellungspräsentationen nachverfolgt. Muss mittelalterliche Kunst besonders erklärt werden? Kann sie rein ästhetisch wirken? Wie geht das überhaupt im digitalen Ausstellungsraum? Und inwiefern können digitale Präsentationen dazu beitragen, Mittelalter-Klischees zu überholen?

Fünf Rezensionen digitaler Ausstellungen widmen sich diesen und anderen Fragen, sie beleuchten Vor- und Nachteile von virtuellen Rundgängen und stellen dem aktuellen 360°-Trend ältere Online-Präsentationen gegenüber.

Ausstellungsrezensionen

Caravans of Gold, Fragments in Time: Art, Culture, and Exchange across Medieval Saharan Africa Aga Khan Museum, Toronto, 2019.

360° Rundgang:  https://my.matterport.com/show/?m=oxqCcdhxKVm (begleitende Website: https://caravansofgold.org/)

Dana Klimaschewski (CDFI, BA Kunstgeschichte)

Die digitale Ausstellung Caravans of Gold, Fragments in Time: Art, Culture, and Exchange across Medieval Saharan Africa ist ein 360° Rundgang durch die Räume des Aga Khan Museum in Toronto, die vor Ort bis zum 23. Februar 2020 geöffnet waren. Kuratiert wurde diese von Kathleen Bickford Berzock (The Block Museum of Art, Northwestern University) in Kooperation mit Kurator*innen aus verschiedenen westafrikanischen Ländern. Nach dem Ausstellungsende bleibt der Onlineauftritt weiterhin für Besucher*innen zugänglich.

Die Ausstellung umfasst mehr als 250 Objekte, darunter teils fragmentarische Funde aktueller archäologischer Ausgrabungen in den großen west-afrikanischen Handelszentren des Mittelalters. Die in sechs Bereiche geteilte und sowohl chronologisch als auch differenziert regional gegliederte Ausstellung zeigt die Handelswege afrikanischer Königreiche zwischen dem 8. und 15. Jahrhundert. Die Sahara bildet das Zentrum eines globalen Handelsnetzwerks. Ziel der Ausstellung ist es, das in der Forschung lange marginalisierte Westafrika zurück ins Zentrum historischer Narrative zu bringen. 

Der 360° Rundgang ermöglicht es, die Objekte von mehreren Seiten zu betrachten und sie in ihrer räumlichen Inszenierung wahrzunehmen. Bereits der digitalisierte Eingangsbereich weckt hohe Erwartungen, die jedoch teilweise nicht erfüllt werden können.

Zu Beginn der Ausstellung wird in einem großen Wandtext auf die Geschichte des Herrschers Mansa Musa (1280-1337), dem König des riesigen westafrikanischen Reiches von Mali, eingegangen, um das Gewicht Westafrikas in einer vernetzten mittelalterlichen Welt aufzuzeigen. Die ausgestellten Objekte und Fragmente damals gehandelter Waren sollen aber nicht nur den Reichtum von Mansa Musas Herrschaftsgebiet veranschaulichen, sondern auch der Ausgangspunkt sein, um die mittelalterliche Vergangenheit neu zu interpretieren und gegenwärtige Beziehungen in einem neuen Licht zu sehen.

Über Bewegungspunkte auf dem Boden, werden Besucher*innen durch die digitalen Ausstellungsräume geleitet. Informationen werden jedoch in der digitalen Ausstellung schnell übersehen. So müssen Besucher*innen sich teilweise über mehrere im digitalen Raum markierte Punkte bewegen, um die an den Raumwänden platzierten Beschriftungen vollständig lesen zu können. Im digitalen Rundgang fehlen auch Informationen zu den verschieden Herkunftsregionen der gezeigten Objekte, welche in der analogen Ausstellung anhand von Tafeln, die direkt an der Vitrine angebracht sind, gegeben wurden. Dieser Schwachpunkt der fehlenden Zusatzerläuterungen ist auch im Weiteren immer wieder zu erkennen. Die Objekt-Beschriftungen erhält man jedoch auch digital über abrufbare Tafeln. 

Auch die Detailwahrnehmung der Objekte ist durch eine nur schwache Bildauflösung gestört. Das ist gerade im Eingangsraum deutlich, wo in einer der zentralen Vitrinen winzige – und demnach fast nicht sichtbare - Goldmünzen ausgestellt sind. Eine ,,Zoom-Funktion‘‘ und die Möglichkeit, Objekte näher zu betrachten, bleibt Besucher*innen aber in der kompletten Ausstellung verwehrt. Auch die besondere Wirkung der Kleinteiligkeit von Fragmenten, welche im Realen vermutlich die Besucher*innen zur genauen Untersuchung und Betrachtung anregt, fehlt im digitalen Format vollkommen. 

Im letzten Teil der Ausstellung, der besonders auf Austausch verweist, werden Besucher*innen zu Objekten aus Regionen jenseits der Sahara geführt: zum Beispiel aus dem heutigen Ghana, Nigeria und aus Europa. Für die dortigen, relativ großen Ausstellungsstücke ist der digitale Rundgang eine sehr gute Alternative zum realen Besuch. So kann eine sitzende Figur aus Nigeria des 13.-14. Jahrhundert (National Commission for Museums and Monuments, Abuja, Nigeria, Inv.Nr: 79.R18) von allen Perspektiven ausreichend betrachtet werden. Abgeschlossen wird der digitale Rundgang mit dem fließenden Übergang in eine temporäre Installation des Künstlers Ekow Nimakos Building Black: Civilizations.1

Die digitale Version von Caravans of Gold, Fragments in Time: Art, Culture, and Exchange across Medieval Saharan Africa ist eine hervorragende Möglichkeit, die Objekte und deren räumliche Inszenierung zu dokumentieren. Durch das online Format bleibt die Ausstellung nicht nur weiterhin erhalten, sondern ist auch zugänglich für alle. 

 

[1] https://agakhanmuseum.org/exhibitions/ekow-nimako-building-black-civilizations [zuletzt abgerufen am 24.1.2021]

Treasures of Heaven: Saints, Relics, and Devotion in Medieval Europe Cleveland Museum of Art / Walters Art Museum / British Museum, Oktober 2010 bis Oktober 2011.

Digitale Präsentation: https://projects.mcah.columbia.edu/treasuresofheaven/

Cedric Isbrandt (CDFI, MA Kunstgeschichte)

Vor allem in einer Zeit, in der das Verweilen zu Hause zu notgedrungenem Standard wird, scheint es für viele kulturelle Institutionen wie Museen notwendig zu werden, die Form ihres digitalen Auftritts zu überdenken. Dabei fallen etwa Online-Ausstellungen oder digitale Ausstellungen immer häufiger in den Fokus und freuen sich zunehmender Beliebtheit.          

So findet sich auch die Ausstellung Treasures of Heaven: Saints, Relics, and Devotion in Medieval Europe, die bereits von Oktober 2010 bis Oktober 2011 im Cleveland Museum of Art, dem Walters Art Museum in Baltimore und dem British Museum in London zu sehen war noch mit einem Auftritt im Internet. Der in Begleitung zur Ausstellung konzipierte Onlineauftritt spricht von sich selbst als „digitale Monographie“ und bleibt trotz Betagtheit ein lohnenswerter Besuch.          

Klar und ersichtlich strukturiert begegnet Besucher*innen die erste Seite in elegant-neutralem Design, welche die Inhalte der Ausstellung in die Teile „Saints & Martyrs“, „Relics & Reliquaries“ sowie „Shrines & Places“ übersichtlich gliedert. Folgend dem ersten Teil werden Besucher*innen auf eine Seite gebracht, die mit einem kurzen Einleitungstext über die Themen Hagiographie und Legenda aurea eine Auswahl christlicher Heiliger in alphabetischer Ordnung präsentiert. Zusätzlich sind hier gut vernehmbar zwei Felder zu sehen, die sowohl zur Liste der ausgestellten Objekte, als auch zu sonst leider unverlinkten Videos führen. In einigen dieser Videos werden Objekte der Ausstellung direkt thematisiert, doch gibt es dazu leider keinen Verweis in den jeweiligen Objekteinträgen. 

Zu jeder Heiligenfigur findet sich ein kurzer, das Leben zusammenfassender Text sowie ein knapper Textauszug aus der Legenda aurea, einem hagiographischen Werk aus dem 13. Jahrhundert.  Außerdem befinden sich zwei bis drei Fotos von Reliquiaren der jeweiligen Heiligen auf jeder Seite, wie etwa das Kopfreliquiar des heiligen Eustachius.1 Diese ermöglichen zwar dank hervorragender Auflösung eine starke Vergrößerung, durch ihr Verweilen in Zweidimensionalität bleibt es aber schwer, einen vollständigen Eindruck der Objekte zu bekommen.    

Unter dem zweiten Hauptpunkt „Relics and Reliquaries“ werden unter weiteren Kategorien wie „From Tomb to Altar“ oder „Ritual and Performance“ sakrale Objekte näher beleuchtet. Dies geschieht weder in alphabetischer Reihenfolge der Objektnamen noch nach Highlights, sondern scheinbar willkürlich. Beim Klick auf das jeweilige Objekt wird man auf dessen Eintrag weitergeleitet, der in jedem Falle aus Standort, Datierung, Maßen etc. besteht, in manchem Falle zusätzlich einen erläuternden Text bietet.

Ein scheinbarer Aufbruch aus dem monographischen Format, das die Website eher als Art Enzyklopädie einordnet, wird den Besucher*innen beim dritten Teil „Shrines & Places“ geboten. Abgesehen vom Einstiegstext findet sich auf dieser Unterseite eine Karte, die weite Teile Europas, Nordafrikas und den Nahen Osten zeigt. Von einigen der verzeichneten heiligen Orte lässt sich eine Handvoll durch einen Klick näher untersuchen. Dieses getan, werden wir zu ein bis zwei Kirchen der jeweiligen Stadt geführt. Die überwiegende Mehrheit ist mit 360° Umsichtspunkten versehen, durch die Besucher*innen sich vor Ort in kleinem Ausmaß umsehen können. Dieses interessante Feature ist eine Bereicherung im Vergleich zum analogen Ausstellungsformat und bemüht sich, die digitalen Möglichkeiten weiter auszuschöpfen.

Neben diesen drei die inhaltliche Struktur der Website prägenden Hauptteilen finden sich noch weitere interessante Möglichkeiten auf der Website, versteckt im stets präsenten Fußreiter. Neben der Verlinkung auf die Museen, die zur Ausstellung beitrugen, finden sich Links zu generellen Erklärungen der Ausstellung, Neuigkeiten (letztmalig 2011 aktualisiert) und zu näheren Informationen zum Ausstellungskatalog (bzw. den Online Domains, wo dieser ursprünglich erwerbbar war). Außerdem finden sich hier ein aufschlussreiches wie präzise geschriebenes Glossar, das genügend Einsicht über die verwendeten Ausdrücke gibt. Zudem kann man sich unter dem Punkt „About this Website“, der im Text den Link „special exhibition galleries“ miteinschließt eine Dokumentierung der realen Ausstellungen im Fotoformat anschauen.2 Hieran können Besucher*innen zumindest in geringem Umfang die Objekte im Kontext der realen Präsentationen begutachten und einen Eindruck von ihrer Wirkung im realen Raum erlangen. Dieser spannende Punkt ist nicht ausgeschildert und ohne genaues Untersuchen der Website kaum auffindbar.       

Die gut gegliederte Präsentation funktioniert als eine Art digitales Archiv für die bereits seit langem vergangene Ausstellung. Mit Möglichkeiten wie etwa dem direkten 360° Beschauen verschiedener heiliger Orte und der Sammlung an aufschlussreichem Videomaterial bietet die beinahe 10 Jahre alte Online-Präsentation mehr als es eine bloße Monographie in Buchform es könnte. Hierbei lässt sich schon der Beginn dessen erkennen, was mittlerweile als Qualitätskriterium für digitale Ausstellungen besteht: reale Orte werden in ihrer Erscheinung jederzeit visuell erfahrbar, ohne dass dafür das gemütliche Heim verlassen werden muss.   

Somit kann Treasures of Heaven bereits Ursprünge davon, im digitalen Zeitgeist für viele Museen unentbehrlich gewordenes Format. 

 

[1]https://projects.mcah.columbia.edu/treasuresofheaven/saints/Eustace.php[zuletzt abgerufen am 26.01.2021]

[2]https://projects.mcah.columbia.edu/treasuresofheaven/about/slideshow/index.php [letztmalig aufgerufen am 26.01.2021]

„Nonnen. Starke Frauen im Mittelalter“, Landesmuseum Zürich, 20. März bis 16. August 2020.

360° Rundgang: https://www.landesmuseum.ch/nonnen

Gregor Ploch (CDFI, BA Kunstgeschichte) 

Katholische Orden und Klöster gehörten im Museumswesen abseits der einschlägigen Einrichtungen lange Zeit zu wenig beliebten Themen von Sonderausstellungen. Eine große Renaissance erfuhr die Thematik mit dem großen 200. Jubiläum der Säkularisation, an das 2003 in Süddeutschland mit großen Landes- und regionalen Ausstellungen erinnert wurde. Dabei dominierten kulturhistorische Präsentationen, in denen die Pracht der Klöster im Vordergrund stand.1 Nicht uneigennützig sollten die Ausstellungen auch eine touristische Anziehungskraft entfalten. 2010 folgten die ehemals preußischen Landesteile, in denen die Aufhebung des kirchlichen Eigentums später (1810) durchgeführt wurde. Im Fokus des Interesses standen die kulturelle Leistung der Klöster oder die Geschichte einzelner Orden, insbesondere der Zisterzienser.2 Runde Gründungsjubiläen von Orden sind ein weiterer Anlass zu einer größeren Präsentation der Ordensgeschichte.3

Frauenorden wurden dabei kaum, oder höchstens am Rande thematisiert. Eine Ausnahme bildet die in Bonn und Essen 2005 gezeigte Ausstellung „Krone und Schleier: Kunst aus mittelalterlichen Frauenklöstern."

Die Präsentation im Landesmuseum Zürich schlägt hingegen neue Wege ein: Aussagekräftige und wertvolle Kunstgegenstände flankieren zwar die Präsentation, sind aber nicht das eigentliche Thema der stark sozialgeschichtlich ausgerichteten Erzählung.

Die Sonderausstellung rückt das Leben von Frauen in Klöstern bis zur Reformation in den Vordergrund. Die Ausstellungstruktur verfolgt vier thematische Sektionen: „Religiöse Lebensformen für Frauen“, „Blütezeit der Frauenklöster 1000-1350“, „Krisen, Reformen, Widerstand 1350-1500“ und „Ausharren oder austreten – 1524“. Die Leihgaben erfolgten überwiegend aus Schweizer und deutschen Museen. Darunter befinden sich liturgische Bücher, Teppiche, Altäre, Holzskulpturen und Insignien, z.B. ein Krummstab der Äbtissin.

Besonders beachtenswert ist die virtuelle Umsetzung der Ausstellung, deren geplante Eröffnung im März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen musste. Die Onlineausstellung ist als 360° begehbarer, virtueller Rundgang durch die Museumsräume konzipiert. Die Online-Präsentation besteht aus 58 Stationen (inkl. Start und Ziel), die nummeriert sind, so dass sich Besucher an einer Rundgangstruktur entlangklicken und orientieren können – aber nicht müssen. Zusätzliche, in den Rundgang hineinkomponierte Informationspunkte beinhalten Erläuterungen zu einzelnen Stationen oder zu ausgewählten Exponaten, die als Textmenü abgerufen werden können. Mit Hilfe des eingeblendeten Menüs ist es möglich, das Sichtfenster zu drehen und Zoombewegungen auszuführen, um die Objekte eingehend zu betrachten. An 15 Hörstationen werden zudem Biographien ausgewählter Ordensfrauen vorgestellt. Bei der Auswahl der Persönlichkeiten wurde der Schwerpunkt auf die heutige Schweiz gelegt. Berücksichtigt wurden aber auch weitere europäische, bekannte Heilige, wie bspw. Hildegard von Bingen, Katharina von Siena oder Klara von Assisi.

Auffällig ist die Schlichtheit der Darstellungsweise. Eingebaute Museumswände verengen den ohnehin nicht breiten Ausstellungsraum zu einem Gang, der sowohl online als auch vor Ort in der vorbestimmten Richtung beschritten werden soll. Mehrere, in die Trennwände eingebaute Ornamentgitter deuten Klosterräumlichkeiten und Zellen an.

Eine Videoinstallation sorgt für eine visuelle und akustische Untermalung der Präsentation, die jedoch online leider nicht verfügbar ist. Durch die technisch gelungene Umsetzung der digitalen Rundwanderung wird der physische Museumsbesuch zum Teil kompensiert. Allerdings lassen sich nicht alle Objekttexte lesen, da die Zoomstärke hierfür nicht ausreicht.

Mit der Auswahl des Präsentationsortes Zürich, in dem katholische Orden bereits im Zuge der Reformation aufgehoben worden und seit langem nicht mehr im Bewusstsein der lokalen Bevölkerung verankert sind, stellt sich die Frage nach der Zielgruppe und dem Konzept der Ausstellung.4 Aus dem Einführungstext und online verfügbaren Schulmaterialien, in denen die Lebenswelt „Kloster“ grundlegend erläutert wird, ist ersichtlich, dass sich die Ausstellung an Besucherkreise richtet, die mit der Klosterthematik wenig vertraut sind. Die Präsentation verfolgt stringent das Ziel, stereotypen Vorstellungen entgegenzuwirken, wonach Klöster ein befremdlicher Ort gewesen seien, in dem Frauen wider Willen eingesperrt und zu einfachsten physischen Arbeiten gezwungen worden seien. Wie bereits im einleitenden Text unterstrichen wird, erhielten junge Nonnen umfassende Bildung, Schutz und soziale Absicherung. Anhand ausgewählter Persönlichkeiten wird hier aufgezeigt, dass einzelne Mitglieder von Frauenorden mächtige und einflussreiche Posten ausübten. Abgerundet wird die online-Ausstellung von fünf Podcast-Beiträgen mit einer Länge von insgesamt ca. 2 Stunden. Diese behandeln die Themen: „Eintritt und Alltag im Kloster“, „Macht und Einfluss“, „Die Gebildeten“, „Die Mystikerinnen“ sowie „Reform und Reformation“. 

Insgesamt ist den Kuratorinnen Christine Keller und Roberta Spano sowohl im virtuellen Raum als auch vor Ort eine äußerst überzeugende Präsentation gelungen. Das Thema ist bisher kaum behandelt worden, das Ausstellungskonzept verfolgt ein klares Ziel und wird von begleitenden Publikationen und Podcasts unterstützt. Die Einbettung vieler qualitativ hochwertiger Kunstwerke in den Erzählstrang ist auch online zu genießen. 

Sehr zu würdigen ist, dass die Kuratorinnen mit dem Einsatz von multimedialen Effekten sparsam umgegangen sind und die Kunstobjekte nicht in den Vordergrund gerückt haben. Das nicht selten vorkommende Aneinanderreihen von möglichst wertvollen Exponaten hätte sonst die kulturhistorische Thematik in den Hintergrund gestellt. 

 

[1] Als Auswahl können genannt werden: „Alte Klöster, neue Herren. Die Säkularisation im deutschen Südwesten 1803“ (Bad Schussenried, 12.04. – 05.10.2003); „Kirchengut in Fürstenhand“ (Bruchsal); „So geht hervor ein' neue Zeit - Die Kurpfalz im Übergang an Baden 1803“ (Heidelberg, 19.10.2003 – 18.01.2004); „Säkularisation in Fürstenfeld. Schicksale zwischen Kloster und Welt“ (Fürstenfeldbruck, 17.07.2003 – 12.10.2003); „Bayern ohne Klöster? Die Säkularisation 1802 / 03 und die Folgen“ (München, 22.02. – 18.05.2003).

[2] „Herrenlos! Schlesische Klöster zwischen Aufhebung und neuer Berufung“ (Ratingen, 16.05. – 17.10.2010); „Klosterdämmerung. 200 Jahre Säkularisation in Schlesien“ (zwischen 2010 und 2018 als Tafelwanderausstellung an mehreren deutschen und polnischen Orten gezeigt); „Die Zisterzienser. Das Europa der Klöster“ (Bonn, 29.06.2017 – 28.01.2018). 

[3] „Mehr als Schwarz & Weiß. 800 Jahre Dominikanerorden“ (St. Blasius, 11.05. – 15.08.2016). Für 2021 ist in Magdeburg eine große Ausstellung über 900 Jahre des Prämonstratenserordens geplant.

[4] Sybille Knecht, Ausharren oder austreten? Lebenswege ehemaliger Nonnen nach der Klosteraufhebung am Beispiel der Städte Zürich, Bern und Basel, Zürich 2016 (Dissertation).

„Illuminating Fashion: Dress in the Art of Medieval France and the Netherlands”, The Morgan Library & Museum, New York, vom 20. Mai bis 4. September 2011.

Digitale Präsentation: https://www.themorgan.org/collection/Illuminating-Fashion

Vivien Popken (Historisches Institut, MA Geschichte)

Spätestens seit TV-Serien wie Game of Thrones und Outlander ist historisch inspirierte Kleidung aus der Film- und Serienlandschaft nicht mehr wegzudenken. Einige Zuschauer*innen fühlen sich ermutigt, sich auch außerhalb des Abendunterhaltungsprogramms mit den Vorlagen für die aufwändigen Kostüme auseinanderzusetzen.

Um diesem Interesse nachzukommen, eröffnete beispielsweise das J. Paul Getty Museum im Sommer 2011 die Ausstellung Fashion in the Middle Ages.1 Im gleichen Jahr fand in der Morgan Library & Museum eine ähnlich ausgerichtete Ausstellung statt: Illuminating Fashion: Dress in the Art of Medieval France and the Netherlands gibt Einblicke in die Darstellung mittelalterlicher Kleidung aus dem höfischen Kontext in Bilderhandschriften und frühen, gedruckten Büchern. Dabei wird der Zeitraum auf 1330-1515 begrenzt. Somit beginnt die Ausstellung mit der neuen Technik separat eingenähter Ärmel, welche eine höhere Variabilität der Mode ermöglichten. Sie endet mit dem zunehmenden Einfluss Italiens auf Schnitte und Stoffe der Kleidung. Nicht nur die Kleidung selbst, sondern auch die Absichten der Künstler hinter gewissen Darstellungen werden beleuchtet – sowohl tatsächlich mittelalterliche Kleidung als auch fiktive Kostüme, die den Zeitgenossen Hinweise auf Charakter und Person der Tragenden geben sollten, werden thematisiert. Ein Besuch der Ausstellung war vom 20. Mai bis zum 04. September 2011 möglich. Jetzt betitelt sich die Ausstellung selbst als eine Online-Ausstellung, die auf der Website des Museums besichtigt werden kann.

Die Online-Ausstellung beginnt mit einem kurzen Einleitungstext, der über die genannten Methoden und Inhalte informiert. Anschließend kann die Ausstellung durch anklicken betreten werden und man gelangt zu einer Überblicksfolie, auf der alle Objekte abgebildet sind. Die Ausstellung ist in neun Themenkomplexe gegliedert, die jeweils aus mehreren Unterkapiteln mit je einem Objekt bestehen. Sowohl über die Gliederungsleiste am linken Bildschirmrand, die Überblicksfolie als auch über den Button „next“ können die einzelnen Seiten besucht werden. Auf diesen erscheint zunächst eine Abbildung der Manuskriptseite, daraufhin werden die Objekte mit einem Erklärungstext genauer beleuchtet, worunter sich der Ausstellungstext zum jeweiligen Themenkomplex befindet.          

Die Titel der Kapitel und Objektbeschreibungen geben nicht nur eine treffende Idee davon, was in den Abschnitten zu erwarten ist, sondern halten die Leser*innen durch amüsante Formulierungen, wie beispielsweise Salome and Herodias in Killer Clothes, bei Laune.

Die Darstellung aus einem um 1390 entstandenen Buch zeigt die beiden im Titel genannten Frauen in zeitgenössisch üblicher Kleidung aus engem Mieder und weit ausgestelltem Rock. Gleichzeitig wird über die implizierte Bedeutung der Haartracht informiert. Details wie diese, die über die Information der Ausstellungssektion hinausgehen, finden sich bei nahezu jedem Objekt und vermitteln dadurch Hintergrundwissen, welches über den Fokus der Ausstellung hinausgeht, ohne den Bezug zu verlieren. 

Die Bildobjekte sind in sehr hoher Auflösung vorhanden, sodass selbst kleinste Details erkennbar werden. So lassen sich auf einer Abbildung aus dem Livre de la chasse von 1406 die Steine auf dem Barrett und die Blüten auf der Houppelande, dem im 15. Jahrhundert populären Überrock, nicht nur zählen, sondern auf den Pinselstrich genau nachvollziehen. 

 Auch die Intentionen der Künstler werden, wie am Beispiel einer Illustration von 1470, dargestellt: Hier wird die apokalyptische Figur der Hure Babylon im aufwändigen Gewand mit besonders hohem Kopfschmuck gezeigt, was zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits außer Mode geraten war und Extravaganz sowie Dekadenz suggerieren soll.2 

Den Verweis auf das „Dunkle Mittelalter“ kann sich auch Illuminating Fashion nicht verkneifen: Die Sektion Twilight of the Middle Ages beginnt mit einer Totentanzdarstellung. Im Zentrum dieses Kapitels stehen der abrupte Wandel des Kleidungsstils der Männer von Schulterpolstern und V-Silhouette hin zu langen Gewändern und spitzen Schuhen, den Pouleines, und Veränderungen in Kragenform und Kopfschmuck der Frauenmode. Die bunten Darstellungen und die Tatsache, dass die Website an sich in hellen Farben gehalten ist, lassen dennoch nicht das Gefühl eines dunklen Mittelalters aufkommen.

Der Kapiteltext zum letzten, kurz gehaltenen Abschnitt zum Beginn der Renaissance betont besonders die neuen italienischen Einflüsse in der Mode. Dadurch wird die klare Assoziation Italien <–> Renaissance verstärkt, die zu hinterfragen eventuell den Rahmen einer Ausstellung sprengen würde, aber zumindest etwas weniger definitiv formuliert werden könnte.3

 Auch die Auswahl der Quellengattungen der Objekte bleibt abwechslungsreich: Sowohl Bibelillustrationen als auch Stundenbücher, Gedichtbände und Legendendarstellungen geben einen Einblick in die verschiedenen Zugänge zu mittelalterlicher Bildkunst. Positiv fällt auf, dass sowohl Entstehungsort, -jahr, Maße und Provenienz angegeben werden. Während die Ergiebigkeit der Stundenbücher und Kalender für Darstellungen von Kleidung in der Objektbeschreibung zu A Fop Goes Hawking (Part 1 & 2) kurz eingegangen wird, bleibt eine Erklärung der Quellengattungen und ihrer Besonderheiten jedoch aus. 

Da die Kapitel chronologisch fortschreiten, gibt es keine großen thematischen Variationen, wodurch, auch durch das Fehlen eines oder mehrerer zentraler Ausstellungsstücke in der Online-Ausstellung, der Wunsch nach einem Spannungsbogen oder einer Veränderung der Präsentationsweise aufkommt. Zum Schluss endet die Ausstellung mit vier Beispielen von Repliken mittelalterlicher Kleidung sowie einem Glossar mittelalterlicher Bekleidungsbegriffe. Nach einer derart informationsintensiven Ausstellung wäre ein Fazit wünschenswert gewesen. Da sich die Repliken jedoch auf Darstellungen aus der Ausstellung beziehen, wirkt die Präsentation dennoch wie ein in sich geschlossener Rahmen. Besonders das Begriffsglossar ist, gerade für Ausstellungsbesucher*innen ohne Vorwissen, ein großes Plus. Die Begriffe sind dort nicht nur erklärt, sondern mit einer Abbildung verknüpft, was ein schnelles Verstehen ermöglicht. Durch die Flexibilität der Reihenfolge, in welcher die Ausstellungsabschnitte angeschaut werden können, fehlt zwar ein klar vorgegebener Leitfaden à la skandinavisches Möbelhaus, jedoch haben Besucher*innen die Möglichkeit, sich ganz nach persönlichem Interesse anhand der Titel zu orientieren und jederzeit einen Blick ins Glossar zu werfen, ohne dabei mehr als zwei Klicks tätigen zu müssen.

Trotz eines, auch durch die Objekte bedingten, eher textbasierten Charakters bleibt Illuminating Fashion online voller spannender Momente und wirft die Frage auf, ob Spannungsbögen anhand von Highlight-Objekten, wie sie in analogen Ausstellungsformaten inszeniert werden, in einer derart flexiblen Web-Präsentation wirklich nötig sind.  

 

[1] The J. Paul Getty Museum, Fashion in the Middle Ages. May 31-August 14 2011:  http://www.getty.edu/art/exhibitions/fashion/index.html [zuletzt abgerufen am 16.12.2020]. 

[2] Peacocks of the Midcentury: The Whore of Babylon Dresses the Part, via https://www.themorgan.org/collection/Illuminating-Fashion/29 [zuletzt abgerufen am 13.01.2021]

[3] Vgl. Januszczak, Waldemar, The Renaissance Unchained, BBC 4 (4 Episodes), 2016. 

Víkingr, Historisches Museum Oslo, seit 05. April 2019.

360° Rundgang: https://my.matterport.com/show/?m=KLqd8Ur9Uuf

Charlotte Wenke (CDFI, MA Kunstgeschichte)

Die 2019 eröffnete Ausstellung Víkingr im Historischen Museum in Oslo präsentiert eine Auswahl originaler Objekte der Wikingerzeit aus der Sammlung des Kulturhistorischen Museums Oslo. Sie wird mindestens fünf Jahre Bestand haben, bis der groß angelegte Erweiterungsbau des Vikingskipshuset1 fertiggestellt ist. Mit dem künftigen Gebäude soll ein neuer Typ Forschungsmuseum und dynamische Ausstellungskonzepte entwickelt werden, in denen die Besucher*innen wählen können, ob sie in aktuelle Forschung eintauchen oder den Museumsbesuch als vorrangig ästhetisches Erlebnis gestalten wollen. Die derzeit in der Ausstellung Víkingr präsentierten Objekte werden dann im neuen Bau zu sehen sein. Möglicherweise spiegelt sich jedoch bereits in ihrer momentanen Präsentation eine Vorschau auf die zukünftigen Ausstellungskonzepte. Zurzeit ist Víkingr ebenso wie einige andere Ausstellungen des KHM auch online in einer 360°-Ansicht begehbar.

Das Narrativ der Ausstellung beinhaltet drei Kapitel, die je einen Aspekt des Lebens im Skandinavien des 8. bis 11. Jahrhunderts beleuchten. Deren Überschriften bleiben ebenso wie der Ausstellungstitel recht unspezifisch: „Reisen zum Reichtum“, „Krieger“ und „Eine Gesellschaft im Wandel“ werden anhand der ausgestellten Objekte illustriert. So enthält die erste Sektion einen Goldschatz aus Hoen, Norwegen, dessen Bestandteile zum Teil aus dem östlichen und südlichen Mittelmeerraum stammen. Die Forschungsdebatte, ob es im wikingerzeitlichen Skandinavien weibliche Krieger gab, wird mit einem Grabfund angeschnitten, der die Überreste einer jungen Frau zusammen mit Waffen enthält. Mittelpunkt der dritten Sektion ist ein frei im Raum stehender Runenstein aus Dynna, Norwegen, der als Kombination eines heidnischen Brauches und christlicher Ikonographie den graduellen Wandel von Glaube und Kultur im wikingerzeitlichen Skandinavien exemplarisch aufzeigt. Die sonst oft kleinteiligen Objekte sind in der digitalen Präsentation der Ausstellung erstaunlich gut zu erkennen – die Zoomfunktion erlaubt ein „Herantreten“ bis zur virtuellen Vitrinenscheibe. Von denkbaren Erweiterungen, die die digitale Umgebung möglich machen würde, wie etwa das Einbinden zusätzlicher hochaufgelöster Bilder der Objekte, ist kein Gebrauch gemacht worden.

Der Ausstellungsraum präsentiert sich nüchtern und stellt die Objekte ganz in den Mittelpunkt: bis auf den Runenstein befinden sich alle in 19 schlichten Glasvitrinen. Diese sind nur entsprechend der drei Sektionen gruppiert, sodass eine recht freie Bewegung durch die Thematik ohne striktes Narrativ möglich ist – dies funktioniert auch im virtuellen Raum. Gleichermaßen wenig bevormundend gibt sich die Erläuterung der Ausstellungsstücke – an den Vitrinen verweist je ein dezentes Schild knapp auf Datierung und Provenienz. Die drei Themenbereiche werden nur anhand kurzer Wandtexte umrissen. Während man letztere auch im digitalen Rundgang lesen kann, sind die Aufschriften an den Vitrinen leider aufgrund der etwas sperrigen Navigation oft nicht erkennbar. Der Bezug der Objekte zum jeweiligen Themenbereich geht lediglich aus einer Broschüre  hervor, die zu jeder Vitrine einige weitere Informationen enthält. Diese liegt im realen Raum aus, ist im digitalen jedoch leider nicht verlinkt, sondern muss auf der Museumshomepage gefunden werden.3 Auf tiefer gehende Erläuterungen historischer oder soziokultureller Aspekte der Wikingerzeit wurde offenbar zugunsten einer ästhetisierenden Präsentation der Objekte verzichtet. Dies stellt einen Kontrast zu anderen der Wikingerzeit gewidmeten Ausstellungen dar – so wurde in „Die Wikinger“ 2014/2015 in London, Kopenhagen und Berlin mit zahlreichen erläuternden Texttafeln und Karten gearbeitet. In der 2015 eröffneten Dauerausstellung Kongernes Jelling zum Umfeld des Dänenkönigs Harald Blauzahn wird zudem mit vielfältigen multimedialen Werkzeugen ein Bild der Wikingerzeit vermittelt. Víkingr bietet im Hinblick auf Informationen zu den ausgestellten Objekten im digitalen Raum mehr als im realen, sofern man die richtige Seite der Homepage4 findet: dort gibt es eine Führung im Videoformat und den Link zur Broschüre. Allerdings findet man den 360°-Rundgang wesentlich schneller unter den „Digitalen Angeboten“ des Museums, dort jedoch ohne Hinweis auf Video oder Broschüre. Hier wäre eine transparentere Verbindung von virtuellem Rundgang und dem übrigen Infomaterial von Vorteil.

Die zurückhaltende Interpretation der gezeigten Objekte und ihre nüchterne Präsentation führt zu deren weitgehender Herauslösung aus ihrem historischen Kontext. Den Besucher*innen sollte auch bewusst sein, dass hier nicht versucht wird ein umfassendes Bild der wikingerzeitlichen skandinavischen Gesellschaft zu zeichnen. Die gezeigten Objekte konnte sich nur die Elite leisten – seien es Goldschmuck oder ein Kettenhemd. Die Sphäre der von Landwirtschaft lebenden Bevölkerungsmehrheit spielt in der Ausstellung keine Rolle. Es wird auch nicht versucht einen aktuellen Forschungsstand zu präsentieren. Die Frage nach weiblichen Kriegern wird zwar in den Raum gestellt, ihre tiefergehende Diskussion bleibt jedoch aus. Im Hinblick auf die identitätsstiftende Rolle der Wikingerzeit im heutigen Skandinavien (und darüber hinaus)5 sollte überlegt werden, ob eine so sparsame Interpretation der Objekte der Imagination der Besucher*innen vielleicht doch etwas zu viel Raum lässt. Die ästhetisierende Präsentation der Gegenstände, die durch ihre weitgehende Entkontextualisierung erreicht wird, verweist möglicherweise auf die eingangs erwähnten neuen Ausstellungskonzepte im zukünftigen Vikingskipshuset. Im Hinblick auf dessen angestrebte Rolle eines «neuen Forschungsmuseums» wäre dann jedoch eine stärkere Präsentation aktueller Forschung wünschenswert.

Im Hinblick auf die intendierte ästhetisierende Präsentation ist zur digitalen Ausstellung anzumerken, dass man deren Aufnahme offenbar durchgeführt hat, als eine Vitrine leer war, ein Baugerüst vor den Fenstern stand und Kabel über den Boden verliefen – da diese Makel im digitalen Duplikat nicht mehr zu ändern sind, erscheint die Ästhetisierung hier nicht ganz gelungen. Bei der verwendeten Software handelt es sich zudem um eine kostenlose und offenbar leicht zu handhabende, wodurch sich der Verdacht aufdrängt, dass hier ein „Schnappschuss“ der Ausstellung online gestellt wurde, nicht als Ergebnis reiflicher Überlegungen, sondern weil es recht einfach realisierbar war.6 Der Nutzen der digitalen Präsentation liegt darin, dass Wissen weitreichender zugänglich gemacht werden kann, als es die örtlich gebundene Ausstellung erlaubt. Doch zeigt die Analyse, dass sowohl die Vermittlung von Fachwissen als auch die der ästhetischen Erfahrung im digitalen Raum nicht dieselbe ist wie im realen – die ästhetisierende Präsentation entfaltet ihre Wirkung nicht ganz und durch die oft unlesbaren Schildchen entsteht ein Informationsmangel. Dem wird zwar durch zusätzliche Texte auf der Website entgegengewirkt, doch diese sind zum Teil schwer auffindbar. Auch potentielle Vorteile des digitalen Raumes sind nicht genutzt worden, wie das Einbinden zusätzlicher Bilder und Texte in das Raumduplikat selbst. Es bleibt somit zu überlegen, wie und ob überhaupt ein dreidimensionales Abbild einer realen Ausstellung diese ersetzen kann, beziehungsweise was der Mehrwert des digitalen Duplikates sein könnte.

 

[1] Übersetzt „Wikingerschiffshaus“. Dieser 1926 eröffnete Museumsbau wurde eigens für die Ausstellung dreier wikingerzeitlicher Schiffsbegräbnisse, die 1867, 1880 und 1904 in Norwegen ausgegraben wurden, errichtet und ist heute neben dem Historischen das zweite Ausstellungshaus des Kulturhistorischen Museums. Die Schiffe und die in ihrem Inneren enthaltenen Grabfunde gelten als wichtiges nationales Kulturerbe von internationaler Bedeutung. Vgl. https://www.khm.uio.no/english/visit-us/viking-ship-museum/new-viking-age-museum/background/ [zuletzt abgerufen am 15.01.2021]

[2] Vgl. «The new museum» https://www.khm.uio.no/english/visit-us/viking-ship-museum/new-viking-age-museum/the-new-museum/ [zuletzt abgerufen am 15.01.2021]

[3] Vgl. https://www.khm.uio.no/english/visit-us/historical-museum/undermappe-utstillinger/handout-vikingr-web-engelsk.pdf [zuletzt abgerufen am 25.01.2021]

[4] Vgl. https://www.khm.uio.no/english/visit-us/historical-museum/exhibitions/viking-age/index.html [zuletzt abgerufen am 22.01.2021]

[5] Vgl. Carl Olof Cederlund: The Modern Myth of the Viking, in: Journal of Maritime Archaeology 6 (1), 2011, S. 5-35, hier S. 9.

[6] Inwiefern der digitale Rundgang im Zusammenhang mit der pandemiebedingten Schließung des Museums geschah, ist leider nicht nachzuvollziehen, da an keiner Stelle ein Datum von dessen Upload genannt wird.

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