"Staatsfeminismus"

Personen

Leitung: Prof. Cordelia Heß, Dr. des. Yvonne Bindrim (ab 03/2024)

Projektteam: Prof. Marko Pantermöller, Prof. Claus Dieter Classen, Dr. Anna Novikov


Inhalt

Der Begriff „Staatsfeminismus” wird in neu-nationalistischen Bewegungen ebenso wie in konservativen antifeministischen Kreisen benutzt, um den Status quo der Geschlechter- und Familienpolitik zu beschreiben. Damit wird suggeriert, dass Gesetzgebungen und andere staatliche Entscheidungen von einer feministischen Ideologie geprägt seien, die Maßnahmen wie Quotenregelungen, geschlechtergerechte Sprache und geschlechtersensible Bildung in Schulen und Kindergärten durchsetze. Der dystopische Charakter dieses Narratives wird an zwei Aspekten deutlich: erstens gelten viele dieser Maßnahmen bei genauem Hinsehen gar nicht oder nur in Ansätzen, zweitens wird „Staatsfeminismus“ sowohl in Ländern mit relativ liberaler und inklusiver Gesetzgebung vermutet (wie Dänemark und Schweden) als auch in solchen mit konservativen familienbezogenen Gesetzgebungen (wie Deutschland und Polen). Gleichzeitig sind die politischen Forderungen, die sich aus der Ablehnung des imaginierten „Staatsfeminismus“ ergeben, nicht einheitlich: eine grundsätzlich mögliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Geschlechter etwa ist in den meisten neu-nationalistischen Agenden angelegt, auch eine begrenzte Akzeptanz von Homosexualität ist nicht überall grundsätzlich ausgeschlossen. Die oft geäußerte Behauptung, neu-nationalistische Bewegungen wollten „eine Gesellschaft wie in den 1950er Jahren“ gilt so nicht für alle Gender-Politiken, alle Länder und Parteien. Deshalb ist eine differenzierende Analyse neu-nationalistischer Geschlechter- und Familienpolitiken, vor allem ihrer utopischen Elemente, wichtig, gemeinsam mit der Analyse der soziokulturellen und historischen Hintergründe derselben. Neu-nationalistische Politik lässt sich ebenfalls am imaginierten, durch liberale Kräfte „forcierten Verfall“ der Sprache durch die Forderung nach der Verwendung geschlechtergerechter Sprache festmachen. Das Postdok-Projekt untersucht die Strategien der Entwicklung und der Verhinderung einer geschlechtergerechten Sprache im Deutschen, Schwedischen, Finnischen und Estnischen sowie die dys- und utopischen Narrativstränge, in die die Strategien eingebettet sind. Die Sprachen verfügen über sprachimmanent, geschichtlich und kulturell höchst unterschiedliche Voraussetzungen.